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Warum die Should-Cost-Analyse nur von Einkäufern mit praktischer IT-Erfahrung nutzbar ist

(In meinem Post wird aus Gründen der Lesbarkeit und Klarheit auf die Verwendung einer gendergerechten Sprache verzichtet.)
Strategische Einkaufsverfahren stellen häufig verschiedene Verhandlungsstrategien vor. Ein von mir präferiertes Modell bei Ausschreibungen und Verhandlungen von IT Projekten ist die Should-Cost-Analyse.
Sie wird besonders für den Einkauf komplexer IT-Projekte empfohlen, da diese oft nicht im Rahmen des ursprünglichen Budgets bleiben. Anpassungen an Unternehmensprozesse und die Integration in die Systemlandschaft führen fast immer zu deutlichen Budget überschreitungen.
Die Should-Cost-Analyse hilft dabei, faire und transparente Preise zu verhandeln. Sie erfordert jedoch eine gemeinsame Kalkulationsgrundlage für beide Seiten, um Zusatzkosten effizient zu schätzen und vertraglich festzuhalten. Fehlende Einigkeit über Kostenansätze führt schnell zu Misstrauen und Unstimmigkeiten.

Weshalb IT-Projekte eine besondere Herausforderung darstellen
IT-Projekte sind von Natur aus komplex und beinhalten verschiedene Elemente wie Softwareentwicklung, Systemintegration, Datenmigration, Hardwarebeschaffung und Lizenzvereinbarungen. Diese Projekte – oft agil und knapp aufgesetzt - stehen spätestens bei Nutzertests und Vorbereitung der Inbetriebnahme vor weiteren Anpassungs anforderungen. Diese Bedarfe reichen von Oberflächenänderungen über eine verbesserte Prozessabbildung und fehlertolerante Schnittstellen bis hin zur sicheren Bedienung bei der Informations- und Dokumentenverarbeitung.
Um als Einkäufer die Should-Cost-Schätzung für eine IT-Dienstleistung oder ein Produkt präzise zu erstellen, muss das Projektvorhaben vom Einkauf auch technisch verstanden werden, zumindest ein grundlegendes Verständnis ist erforderlich.
Hier kommt die Erfahrung in der IT-Projektleitung ins Spiel. Ein IT-Projektmanager der in die strategische Beschaffung wechselt, hat aus erster Hand Kenntnisse über die technischen und betrieblichen Feinheiten solcher Projekte. Er weiß, wie viel Zeit und Ressourcen tatsächlich für die Bereitstellung von IT-Lösungen erforderlich sind, was es ihm ermöglicht, Kosten realistisch einzuschätzen, versteckte Risiken zu erkennen und überhöhte Angebote der Anbieter zu hinterfragen.

Praxiswissen über Kostenstrukturen und Risiken
Ein zentrales Prinzip der Should-Cost-Analyse besteht darin, die Preisgestaltung eines Anbieters in ihre Kernkomponenten zu zerlegen: Arbeit, Material, Gemeinkosten und Gewinnmargen. Bei IT-Projekten bedeutet dies oft, die erforderliche Anzahl an Arbeitsstunden für die Entwicklung, die Kosten bestimmter Technologie-Stacks, Lizenzgebühren oder den Aufwand für Cloud-Dienste und Infrastruktur zu bewerten. Strategische Einkäufer mit einem Hintergrund in der IT-Projektleitung haben hier einen klaren Vorteil. Sie haben Budgets, Zeitpläne und Teams verwaltet. Sie wissen, wie lange bestimmte Aufgaben tatsächlich dauern und welche Aufwände mit dem Einsatz bestimmter Softwaretools verbunden sind. Zudem sind ihnen die Kostensteigerungen bei unvorhergesehenen technischen Problemen bekannt. Dieses Wissen ermöglicht es ihnen, die Preisforderungen von Anbietern präziser herauszufordern und zu erkennen, wann ein Preis überhöht ist oder gerechtfertigt sein könnte.
Ein IT-Projektmanager, der in den strategischen Einkauf wechselt besitzt häufig ein gutes Gespür dafür, welche Kosten bestimmte Dienstleistungen nach eigenen Projekterfahrungen verursachen dürfen.
Er kann dieses Wissen nutzen, um ein realistisches Should-Cost-Modell zu entwickeln und somit eine auf Daten gestützte Verhandlungen führen.
Praktisches Beispiel eines Should-Cost-Modells
Gute Erfolge habe ich erreicht, wenn AG und AN für mögliche Erweiterungen 5 Level vereinbart haben und jedem dieser Level Fix-Kosten zugeordnet haben. Die Bestellung einer Zusatzaufgabe vereinfacht sich drastisch: die Erweiterung wird einem Level zugeordnet – die Diskussionen dazu sind schnell erledigt – und die Beauftragung kann per Abruf erfolgen.
Naturgemäß wird der Dienstleister bei einigen Erweiterungen Verluste, bei anderen Erweiterungen gute Profite erzielen. In Summe jedoch sparen sich AG und AN die detaillierte Kalkulation „bis in die letzte Ecke“, die letztendlich Projektzeit und damit Projektbudget beansprucht und das Controlling auf beiden Seiten umfassend beschäftigen (wo natürlich auch Kosten entstehen).

Strategischer Einkauf erfordert sowohl analytisches als auch praktisches Fachwissen
Letztlich ist die Should-Cost-Analyse nur so effektiv wie die Fähigkeit des Einkäufers, die technischen und betrieblichen Details hinter der Kostenstruktur eines Projekts zu verstehen. Während Einkäufer durchaus die analytischen Fähigkeiten entwickeln können, um Kostenmodelle zu erstellen, fehlt ihnen möglicherweise die praktische Erfahrung, um diese Modelle im Kontext von IT-Projekten effektiv zu interpretieren. Deshalb sind ehemalige IT-Projektmanager, die in strategische Beschaffungsrollen wechseln, besonders geeignet, diese Methode zu nutzen.
Ihre Fähigkeit, versteckte Kosten vorherzusehen, Annahmen von Anbietern infrage zu stellen und den vollständigen Umfang eines IT-Projekts zu verstehen, verschafft ihnen einen entscheidenden Vorteil bei Verhandlungen. Sie können realistische Preisvorgaben auf Basis tiefer Einblicke in die Projektanforderungen setzen, anstatt sich ausschließlich auf Schätzungen der Anbieter oder Marktdaten zu stützen.

Fazit
Die Should-Cost-Analyse ist ein mächtiges Werkzeug im Einkauf, insbesondere für die Verhandlung komplexer IT-Dienstleistungen und -Produkte. Ihr volles Potenzial kann jedoch nur von Fachleuten ausgeschöpft werden, die sowohl über strategisches Einkaufs wissen als auch über praktische Erfahrung in der Leitung von IT-Projekten verfügen. Einkäufer mit praktischen Erfahrungen und Erfolgen als IT-Projektmanager besitzen das nötige Fachwissen, um Kostenstrukturen aufzuschlüsseln, Risiken vorherzusehen und aus einer Position der Stärke heraus zu verhandeln. Diese Kombination von Fähigkeiten macht sie besonders effektiv bei der Anwendung der Should-Cost-Analyse, um bessere Ergebnisse zu erzielen und mehr Wert für ihre Organisationen zu schaffen.


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